Übergabe von Familienunternehmen an Global Player.

Martin Brandt kann auf eine erfolgreiche internationale Karriere zurückblicken. Vor sechs Jahren verschlug es ihn als CEO zur Erwin Hymer Group, dem größten Vermieter und Hersteller von Reismobilen in Europa. Im MCI Livetalk mit MCI Rektor Andreas Altmann spricht Brandt von dem herausfordernden Schritt, ein etabliertes Familienunternehmen an ein börsennotiertes Unternehmen zu übergeben.

Die ersten Reisemobile stellte Erwin Hymer 1957 her. Mit der Akquisition verschiedener Marken wuchs das Familienunternehmen stetig. 2019 beschlossen die Familienmitglieder von Hymer, die im Aufsichtsrat saßen jedoch nicht operativ im Unternehmen tätig waren, sich nach Investoren umzusehen, da die Entwicklung für sie nicht mehr zufriedenstellend war. Brandt begleitete den Prozess und gibt im MCI Livetalk wichtige Einblicke, wie so eine Übergabe ablaufen kann.

Herausforderungen bei der Übergabe eines Familienunternehmens

„In Familienunternehmen haben Führungskräfte meistens mehr Entscheidungsfreiheit als in einem börsennotierten Unternehmen“, erklärt Brandtund ergänzt: „Somit können Entscheidungen schnell getroffen werden, aber man kann auch langfristig planen“. Familienunternehmen ist daran gelegen, das Unternehmen an ihre Nachkommen weiterzugeben und daran richtet sich ihre strategische Planung aus. Dies macht Familienunternehmen auch als Arbeitgeber attraktiv, denn sie stehen für Kontinuität, erläutert Brandt.

Gerade diese Kontinuität war eine Herausforderung bei der Suche nach Investoren, da es Ängste bei den Mitarbeitenden schürte. Die Erwin Hymer Group hat von Anfang an beschlossen, die Übergabe transparent zu gestalten.

Die Familienmitglieder der Erwin Hymer Group kommunizieren ihre Familienwerte in der Unternehmensstrategie und suchten einen Partner, mit einer möglichst großen Schnittmenge im gemeinsamen Wertekodex. Schlussendlich wurde es Thor Industries aus den USA, die mit ihrer ähnlichen Produktpalette mit der Erwin Hymer Group große Überschneidungen hatte. Brandt erwähnt auch die kulturellen Unterschiede, die bei der Übergabe entstanden: „Die Einführung von internen Kontrollsystemen war eine große Herausforderung“.

Innovation

Innovatives Handeln liegt in der DNA der Erwin Hymer Group und mit der Implementierung eines Innovation Labs wird diese Tradition weitergeführt. Geplant ist ein länderübergreifender Austausch zwischen der Erwin Hymer Group in Deutschland und der Thor Group in den USA, der aufgrund der COVID-19 Pandemie auf Eis gelegt werden musste, jedoch sehnsüchtig erwartet wird.

„Markt muss man machen, der passiert nicht“, so Brandt. Die Zielgruppe von Reisemobilen ändert sich somit auch mit der Zeit. Junge Menschen wollen mobil sein und so viel wie möglich entdecken. Das Reisemobil sollte sich ihrem Lebensstil anpassen, indem es kompakt ist und sie z.B. auch mehrere Tage ohne Stromanschluss verbringen können. Die Lebenseinstellung, das Reisemobil auch am Wochenende für Kurztrips zu nutzen, fließt auch in die Produktion ein. Brandt erklärt den Kauf eines Reisemobils als einen sehr emotionalen Prozess, der mit den Kosten zusammenhängt, aber auch dem Erlebnis des Produkts.

Das Fühlen und Ausprobieren steht beim Verkauf im Vordergrund. Bei der Übernahme von Thor wurde für die Produktion der deutschen Reisemobile der Erwin Hymer Group ein eigenes Werk in den USA eingerichtet, um das deutsche Design, welches tatsächlich nur ein Nischenprodukt in den USA darstellt, vor Ort zu produzieren.

Die Einblicke von Martin Brandt stellen ein außergewöhnliches Beispiel einer Übergabe dar, die gezeichnet ist von strategischer Planung und transparentem Vorgehen, verknüpft mit respektvollem Umgang aller Beteiligten.

Die Erwin Hymer Group SE mit Sitz in Bad Waldsee zählt zu den weltweit größten Herstellern von Wohnmobilen und Wohnwägen mit über 6.000 Mitarbeitern/innen und ca. 2 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr. Erwin Hymer Group bietet mit 20 Marken eine enorme Bandbreite an Produkten und Services für einzigartige Freizeit- und Mobilitätserlebnisse nach dem neuesten Stand der Technik.

***********

Vita Martin Brandt, CEO, Erwin Hymer Group SE
seit 2015: CEO, Erwin Hymer Group SE
2009-2015: ZUMTOBEL GROUP, Dornbirn Chief Operating Officer
2006-2009: ASSA ABLOY AG, Hong Kong Executive Vice President; President ASSA ABLOY Asia Pacific
2004-2006: ASSA ABLOY SICHERHEITSTECHNIK GMBH, Berlin Market Regional Manager DACH
1996-2003: EFFEFF FRITZ FUSS GMBH & CO KGAA, Albstadt Divisionsleiter (ab 1998
Geschäftsführer)
2000: Kauf der EFFEFF FRITZ FUSS durch ASSA ABLOY SICHERHEITSTECHNIK
Bis 1996: BAUMGARTNER & PARTNER UNTERNEHMENSBERATUNG, München Leiter Büro
München; MERCER MANAGEMENT CONSULTING GMBH Senior Consultant