jean Claude Juncker, Präsident a.D. der Europäischen Kommission, als Distinguished Guest Online an der Unternehmerischen Hochschule®.
Mit seinem Erfahrungsschatz aus der langen Zeit als einer der hochkarätigsten politischen Amtsträger, weiß Jean Claude Juncker, was die Europäische Union wieder auf den angestrebten Erfolgskurs führen kann. Der ehem. Präsident der Europäischen Kommission (2014-2019) ist davon überzeugt, dass es in der Politik um die Betrachtung der Wirklichkeit und damit um das Bewusstsein geht, dass Europa eigentlich der kleinste Kontinent der Welt ist. Für diesen Anteil von nur etwa 4-5% der Weltbevölkerung mahnt Juncker in internationalen Angelegenheiten - vor allem angesichts der immer unruhiger werdenden Nachbarn in unmittelbarer EU-Peripherie - mehr Behutsamkeit und eine größere Bescheidenheit ein.
Klare Positionen trotz Zurückhaltung
Gleichzeitig plädiert Juncker dafür prinzipielle Einwände weiterhin standhaft zu kommunizieren, wenn es um Themen wie Menschenrechte und Medienfreiheit geht. Die europäische Wertekarte gelte es in der Aufrechterhaltung wichtiger Partnerschaften beispielsweise mit Nordafrika, Russland, der Türkei oder China ohne erhobenen Zeigefinger oder Naivität zu vertreten, um globale Beziehungen weiter ausbauen zu können. Es sei dabei wichtig, nicht „belehrend zu wirken, denn auch in der europäischen Vergangenheit gibt es nicht nur Glanzkapitel und das würde unglaubwürdig machen.“ Auch die mittlerweile wieder bessere Partnerschaft zu den USA sei ein perpetuum mobile für die transatlantische Zusammenarbeit. Aber auf dem Kontinent selbst sind auch weitere Anstrengungen notwendig. Enttäuscht zeigt sich Jean Claude Juncker über die gescheiterten Rahmenvertragsverhandlungen mit der Schweiz und die Gefahr des ungeregelten Brexit würde weitgehend unterschätzt, dennoch sei es angebracht sich mit öffentlichen Empfehlungen zu diesem Thema zurückzuhalten.
Kein Freund von Sanktionen
Kaum zu reagieren, wenn irgendwo in der Welt Menschenrechtsverletzungen stattfinden, sei aber die falsche Zurückhaltung. Die Europäische Kommission muss reagieren, hat aber nur wenige Instrumente. Sanktionen sind ein Teil davon, wobei Juncker zugibt: „ich bin kein großer Freund von Sanktionen, glaube aber auch nicht, dass wir die Knüppel wegwerfen sollten“, und vorschlägt, dass es vielleicht sinnvoller wäre, Sanktionen direkt gegen das politische Personal der betroffenen Länder zu richten. Das teilweise hohe persönliche Vermögen der Diktatoren lasse sie ohne Probleme aus ihrem Amt ausscheiden, „man muss sie am Rockzipfel packen“.
Einheitlichkeit für mehr Einfluss
Auch innerhalb der EU gebe es Bedarf die europäischen Grundprinzipien weiterhin einzumahnen. Besorgniserregend findet Juncker den teilweise mangelnden Respekt einzelner Mitgliedsstaaten vor den geltenden Rechtnormen. Für die kommende Europakonferenz gelte es daher stimmige einheitliche Linien wiederzufinden: „wenn wir Einfluss in der Welt haben möchten, müssen wir dafür sorgen, dass wir auch intern Ordnung halten“. Das Image als ewige Baustelle sei nicht mehr aktuell, aber es gebe Renovierungsbedarf im Sinne eines allgemeinen europäischen Clusters meint Juncker dazu und ist mit Blick in die Zukunft auf Europas Einfluss im globalen Kontext optimistisch gestimmt. Europa als Weltmacht zu bezeichnen, wie es viele gerne hören würden, wäre allerdings übertrieben. Teilweise daran schuld sei die Art und Weise, wie das außenpolitische Tagesgeschäft betrieben wird: „Es kann nicht sein, dass eine Entscheidung an der unnachvollziehbaren Entscheidung eines einzelnen Mitgliedsstaates hängt. Ich halte für unabdingbar notwendig, dass wir die gemeinsame Außenpolitik mit qualifizierter Mehrheit entscheiden. Das würde das Gewicht Europas und das internationale Gewicht des Euros unglaublich stärken.“
Wichtigkeit von Jugendbeteiligung & Klimaschutz
Ebenso gelte es den europäischen Einfluss in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit geltend zu machen. Jean Claude Juncker ist überzeugt, dass Klimaschutz keine Aufgabe nur für Teile der Welt, sondern für alle, vor allem die Wirtschaftsmächte ist. Der richtige Zeitpunkt, um sich darum zu kümmern, sei jedenfalls jetzt. Dabei reiche es aber nicht weiterhin Europa für alles zu verantwortlich zu machen, was schief läuft. „Die Erwartung der Bürger an Europa ist wesentlich größer als es das Kompetenzspektrum der EU eigentlich zulässt“, so Juncker. Es braucht daher auch die Mitwirkung der jungen Bevölkerung mit Verbesserungsvorschlägen dazu und auch, wie man die Konflikte zwischen den Staaten beheben kann. Das Verständnis über die anderen Mitgliedsstaaten und dortigen Lebensverhältnisse fehle generell, deshalb ist für Juncker klar: „Wer für Europa denkt, muss sich für die Nachbarn interessieren.“
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