Das Tiroler Handwerk im Umbruch – Chancen und Herausforderungen im Zuge der digitalen Transformation
Die digitale Transformation hat bereits zahlreiche Industrien und Branchen nachhaltig verändert. Nach dem Handel und der Unterhaltungsindustrie sowie der produzierenden Wirtschaft steht in den kommenden Jahren auch das Handwerk vor einem grundlegenden Strukturwandel.
Mit mehr als 6.370 Betrieben (WKO 2019) im Jahr 2018 bildet das Handwerk das traditionsreiche Rückgrat der Tiroler Wirtschaft. Viele dieser Betriebe sind Familienunternehmen. Neue digitale Technologien (z.B. Industrie 4.0, additive Fertigungsverfahren), neue Materialien und Werkstoffe (z.B. Verbundwerkstoffe, Leichtbau, Bio-Kunststoffe) sowie neue Vertriebswege und Medien (z.B. e-Commerce, Online-Marketing) stellen die Tiroler Handwerksbetriebe gleichermaßen vor neue Chancen, z.B. im Sinne neuer Geschäftsmodelle, aber auch zahlreiche Herausforderungen. In mehreren Forschungsprojekten hat das MCI (Forschungsschwerpunkt Innovation, Entrepreneurship & Marketing und das Zentrum Familienunternehmen) daher die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von Tischlereibetrieben in Tirol untersucht.
Zusammen mit der Holzmanufaktur Auer aus Innsbruck und einem international führenden Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen wurden Zukunftsszenarien für den „Tischler 2025“ entwickelt. Hierzu wurden mehr als 180 Interviews mit Branchenfachleuten aus neun Ländern und eine Zukunftsbefragung mit mehr als 220 Experten durchgeführt. Auf Basis der empirischen Daten und umfangreicher Literaturstudien zeigt sich, dass die Steigerung des Anteils an Halbfertig- und Fertigteilen, die fortschreitende Automatisierung sowie die internationale Konkurrenz viele Tischlerbetriebe vor die Existenzfrage stellen. Zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit wird es daher wichtig sein, dass Tiroler Tischlerbetriebe verstärkt Synergien aus Netzwerken und Kooperationen schöpfen (z.B. gemeinsame Investitionen in digitale Technologien und Maschinen) und die Chancen neuer Geschäftsmodelle (z.B. Individualisierung, Service aus einer Hand, e-Commerce) nutzen, um neue Märkte und Kundengruppen erschließen zu können.
Doch der Weg dorthin ist für viele Betriebe nicht einfach. Wie das MCI im Projekt „Innovativität von Tischlereibetrieben“ (gefördert vom Tiroler Wissenschaftsfonds TWF) herausgefunden hat, stellt das Thema „Innovation“ viele Betriebe vor große Herausforderungen – nicht nur aufgrund des akuten Fachkräftemangels oder der großen Frage der Unternehmensnachfolge. Viele verfügen über keine oder nur kaum strukturierte Prozesse zur gezielten Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen, neuer Herstellungsprozesse oder der Erschließung neuer Geschäftsfelder und Kundengruppen. Diese Erkenntnisse bilden für das MCI die Ausgangsbasis zur Entwicklung neuer, maßgeschneiderter Qualifikationsangebote für Handwerkunternehmen.
Der erfolgreiche Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Know-how in die Wirtschaft aus diesen Projekten erfolgte einerseits durch mehrere Praxisprojekte mit Studierenden. Hierbei wurden u.a. Fragestellungen wie die Zukunft des Messebaus sowie Potenziale von unternehmensübergreifenden Produktionsstrukturen untersucht und Lösungsvorschläge entwickelt.
Andererseits wurden die Forschungsergebnisse sowie konkrete strategische Handlungsoptionen im April 2019 mit rund 50 Vertreter/innen des Tiroler Tischlerhandwerks im Rahmen eines Praktikerforums in Zusammenarbeit mit der WKO vorgestellt und diskutiert. Ziel war dabei, den Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern zu fördern und Gelegenheit zu bieten, um mit- und voneinander zu lernen. Themen wie die Bewältigung des Fachkräftemangels, die proaktive Organisation und Führung von Beschäftigten, der Wissenstransfer im Zuge der Nachfolge oder die Steigerung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit standen dabei im Mittelpunkt.
Durch die hohe Praxisnähe und die durchwegs positive Resonanz im Außenraum waren diese Projekte ein großer Erfolg und bilden eine gute Grundlage für eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Tiroler Handwerksbetrieben zur Sicherung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Landes.