Soziale Arbeit und Du: Im Interview mit Eva Fleischer

Date 20.10.2023

Pensionierung am Department der Sozialen Arbeit | Time to say goodbye, Eva Fleischer

Unter dem Motto „Soziale Arbeit und Du“ haben wir unsere geschätzte Kollegin und Hochschulprofessorin Mag.a Dr.in Eva Fleischer anlässlich ihres Pensionsantritts zu einem Interview gebeten, in dem sie mit uns auch auf ihre vergangenen Jahre am MCI | Die Unternehmerische Hochschule® zurückblickt.

Soziale Arbeit und Du – was waren die Anfänge?

Meine erste Begegnung mit der Sozialen Arbeit war eine Sozialarbeiterin, die eine Lehrerin zu uns in die Handelsakademie eingeladen hatte. Ich fand die Schilderungen ihrer Arbeit damals sehr spannend und damit eröffnete sich eine ganz andere berufliche Perspektive, denn Buchhalterin oder Bankangestellte wollte ich auf keinen Fall werden. Ich erlebte die Zeit meiner Ausbildung als sehr prägend, sowohl auf persönlicher Ebene als auch auf fachlicher Ebene. Wir beschäftigten uns mit Anti-Psychiatrie, konnten Lehrveranstaltungen selber planen, waren aber auch mit den bürokratischen Abläufen der Kinder- und Jugendhilfe konfrontiert oder mit sehr konservativen Ansichten mancher Lehrender. Die frühen 80er Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs in der Sozialen Arbeit, zahlreiche Projekte entstanden, die heute längst etabliert sind. Auch wenn ich anschließend Erziehungs- und Politikwissenschaft studierte, blieb die Identifikation mit der Sozialen Arbeit erhalten.

Wer oder was inspiriert dich und warum?

Inspiriert haben mich vor allem Frauen, oftmals Pionierinnen in der Wissenschaft und in der Lehre, die feministisches Engagement für die Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit mit wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse verknüpft, Studierende ernst genommen und zum Wachstum herausgefordert sowie Projekte entwickelt und verwirklicht haben. Vorbild waren insbesondere jene, die ebenfalls die Utopie umzusetzen versuchten, dass ein doppelt erfülltes Leben möglich sein müsste: ein Leben mit Kindern und das Leben als Intellektuelle.

Was hast du gemacht, bevor du begonnen hast, am MCI zu arbeiten?

Ich war während meines Studiums der Erziehungs- und Politikwissenschaft als Sozialarbeiterin in Einrichtungen der psychiatrischen Versorgung, in der Begleitung von Menschen mit Behinderungen tätig. Anschließend in einem Forschungsprojekt zum Thema "Soziale und psychische Implikationen humanmedizinischer Reproduktionstechnologien" am Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung in Klagenfurt. Darauf folgte die Leitung einer Familienberatungsstelle in Innsbruck und dann eine Phase einer Kombination von vielfältigen angestellten und selbständigen Tätigkeiten: seit 1997 Lektorin an der Akademie für Sozialarbeit in Innsbruck und an der Universität Innsbruck, Projektmitarbeit in Projekten am Institut für Erziehungswissenschaften und am Zukunftszentrum Tirol, dort Coach, Ausbildnerin im Bereich „kompetenzorientierte Laufbahnberatung“ und Evaluatorin des Projekts „Laufbahnberatung Tirol“ sowie Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Unternehmensberatung Hafelekar. Die größten Projekte waren dort die Entwicklung von Beratungsinstrumenten für die kompetenzorientierte berufliche Beratung von Jugendlichen mit Migrationsbiographien sowie die Evaluation der Altenpflege und -hilfestrukturen für das Land Oberösterreich. Mein erster Kontakt mit dem Thema Pflege, mit dem ich mich in der Folge noch ausführlich beschäftigt habe.

Was hat dich dazu bewogen, am MCI zu lehren und zu arbeiten?

Als Lektorin an der Akademie für Sozialarbeit begrüßte ich die Akademisierung der Ausbildung der Sozialen Arbeit sehr und war auch im Entwicklungsteam für den neuen Studiengang am MCI. Zunächst als externe Lehrende, dann ab 2009 als Lektorin, später dann als Professorin konnte ich im Team rund um unserem damaligen Studiengangsleiter Dr. Michael Klassen zum Aufbau des Studiengangs beitragen. Durch den neuen institutionellen Kontext eröffneten sich viele neue Möglichkeiten der internationalen Kooperation, der Vernetzung mit Kolleg:innen in der Praxis, aber auch in der Wissenschaft.

Was ist dein Forschungsschwerpunkt?

Meine Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind vielfältig. Einerseits ist es mir ein großes Anliegen, die strukturellen Rahmenbedingungen der Sozialen Arbeit zu analysieren, die Auswirkungen auf die Lebenswelt der Nutzer:innen und die Praktiker:innen zu reflektieren und darauf aufbauend, politisch zu handeln. In diesem Bereich liegen meine Schwerpunkte in der Sozialpolitik, insbesondere im Bereich bezahlte und unbezahlte Arbeit und Armutsprävention. Andererseits interessiert mich, wie das hohe Ideal der Sozialen Arbeit als einer Menschenrechtsprofession in die Praxis umzusetzen ist. Daraus hat sich als Schwerpunkt meiner Arbeit die Beschäftigung mit Theorien zu Gender und Diversity und deren praktische Umsetzung in partizipativen Forschungsprojekten sowie in Anti-Diskriminierungstrainings entwickelt.  Parallel dazu habe ich mich viele Jahre damit beschäftigt, wie Studierende erfahrungsorientiert die Kompetenzen in den Bereichen wissenschaftliches Arbeiten, Forschungsethik und qualitativen Forschungsmethoden erwerben können. Wie mit Hilfe von Methoden des Service Design Thinkings gemeinsam mit Nutzer:innen Angebote der Sozialen Arbeit (weiter)entwickelt werden können, war der Fokus des letzten Projektes, das ich mitentwickelt habe. Dieses Thema wird mich weiterhin beschäftigen, da ich die Frage der Nutzer:innenbeteiligung als einen zentralen Angelpunkt für die Weiterentwicklung und Demokratisierung der Sozialen Arbeit sehe.

Welche Aufgaben in deinem Job magst du besonders gern?

Für mich ist es immer besonders schön, wenn ich durch meine Arbeit intensive Prozesse in der Gruppe und bei Einzelnen bei den Lehrveranstaltungen zu den Themen Gender & Diversity anstoßen kann. Auch die Begleitung von Studierenden bei ihren Abschlussarbeiten, das Mentoring von Studierenden und Absolvent:innen bereitet mir Freude. Ich schätze auch das gemeinsame Entwickeln und Reflektieren in der Vernetzung in Fachgruppen; so haben wir als Arbeitsgruppe Soziale Arbeit und Alter(n) im Rahmen der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit ein Positionspapier zum „Stellenwert der Sozialen Arbeit in einer Gesellschaft der Langlebigkeit“ verfasst, das im deutschen Sprachraum sehr positiv aufgenommen wurde. Das Manifest "Großputz! Care nach Corona neu gestalten" der Wissenschaftler:innengruppe CareMachtMehr fand internationale Resonanz. 

Was wirst du vermissen?

Die Anregungen durch meine Kolleg:innen und die Impulse durch die Studierenden; hier durfte ich viel lernen.

Was war dein Highlight während deiner Zeit im Department der Sozialen Arbeit?

Die Entwicklung und Durchführung der Lehr-/Lernprojekte im Masterstudiengang waren immer Highlights: einerseits sehr viel Arbeit, aber auch die Freude, zu sehen, wie sich Studierende im Rahmen der Projekte entwickeln, sich ausprobieren können und dann am Ende das gemeinsame Produkt, das gesellschaftlichen Mehrwert schafft und Impulse für die Politik gibt oder auch für Organisationen, mit denen wir zusammengearbeitet haben. Ein weiteres Highlight war für mich die Möglichkeit, durch die Teilnahme an Konferenzen und meinen Gastaufenthalt an der Fordham University in New York, meinen Horizont erweitern zu können.

Was wünschst du dem MCI und/oder den Studierenden?

Ich wünsche mir, dass die Soziale Arbeit in der Gesellschaft als „systemrelevant“ anerkannt wird und dass sich dies auch durch ein Berufsgesetz ausdrückt, damit die Standards der Profession und der Disziplin auch in der Praxis gesichert werden. Hier ist insbesondere die Verankerung der eigenen Berufsethik in entsprechenden Regelungen und Gremien zentral, aber auch die Anerkennung als Handlungswissenschaft. Die Soziale Arbeit ist in ihrer Arbeit unmittelbar mit den Problemlagen konfrontiert, die durch gesellschaftlichen Wandel entstehen. Damit diese gesellschaftlichen Veränderungen in eine gute Richtung gehen und Menschenrechte verwirklicht werden können, ist es auch wichtig, dass sowohl in der Ausbildung als auch in der Praxis immer wieder selbstkritisch das eigene Tun reflektiert wird. Das mag manchmal unangenehm sein, weil wir alle Teil von Machtbeziehungen sind und unsere Geschichten mitbringen, aber letztlich können wir dadurch nur an Menschlichkeit gewinnen.

<p>Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer</p>

Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer

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Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer

<p>Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer</p>

Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer

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Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer

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Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer

<p>Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer</p>

Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer

<p>Eva Fleischer @ Eva Fleischer</p>

Eva Fleischer @ Eva Fleischer

<p>Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer</p>
<p>Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer</p>
<p>Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer</p>
<p>Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer</p>
<p>Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer</p>
<p>Impressionen aus Eva Fleischers Zeit am MCI ©Eva Fleischer</p>
<p>Eva Fleischer @ Eva Fleischer</p>
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