„Die postkoloniale afrikanische Migration in den Westen ist nicht nur eine räumliche Bewegung auf der Suche nach materieller und physischer Sicherheit, sondern auch Ausdruck des mimetischen Wunsches, den Westen zu imitieren oder sich vor dem Hintergrund der entmenschlichenden historischen Hinterlassenschaften von Sklaverei, Kolonialismus und westlicher Dominanz 'weiß' zu machen. Es ist eine Flucht vor sich selbst, vor vermeintlichen Unzulänglichkeiten. Die Migration in den Westen ist Ausdruck der Sehnsucht nach dem Sein, nicht durch Loslösung vom 'faszinierenden' Westen, sondern durch Bewunderung und Nachahmung seines Lebensstils, seiner Schönheitsideale und seiner weichen und harten Macht, und durch das Leben im Westen.
Das Modell (der Westen) baut allgegenwärtige physische und virtuelle Zäune gegen Migranten auf, die der Nachahmer zu überwinden versucht. Je mehr das Modell diese Zäune wieder verstärkt, desto mehr versucht der Nachahmer, sie zu überwinden. Die migrationsfeindlichen Zäune sind der Treffpunkt der wahrgenommenen Überlegenheit, Bewundernswürdigkeit und Begehrlichkeit des Modells einerseits und des Minderwertigkeitskomplexes des Nachahmers andererseits sowie der inneren Spannung zwischen dem paradoxen Wunsch nach Loslösung vom Modell und dessen leidenschaftlicher Nachahmung zur gleichen Zeit. In diesem Buch wird argumentiert, dass die afrikanische Migration in den Westen auch ohne Armut, Konflikte und Klimawandel weitergehen wird, weil es dabei auch um den mimetischen Wunsch nach Sein geht.“ - Belachew Gebrewold
Im nachfolgenden Interview beantwortet Belachew Gebrewold einige Fragen zu dieser Thematik:
Kürzlich wurde Ihr Buch „Die postkoloniale afrikanische Migration: Zwischen Nachahmung und Selbstfindung im Westen“ veröffentlicht. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben?
Migrationspolitik und Migrationsursachen, speziell in Afrika, beschäftigen mich seit langem. Ich war nicht so ganz zufrieden mit der gängigen Erklärung der Migrationsursachen in der Postkolonialen Welt. Viele ökonomische oder sicherheitspolitische Erklärungen als Migrationsursachen sind wichtig, erklären aber nicht alles. Daher wollte ich nach Gründen der Migration darüber hinaus forschen. Das Buch ist das Ergebnis jahrelanger Forschung.
Worin liegt Ihre Expertise, die afrikanische Migration in den Westen beurteilen zu können?
Ich beschäftige mich seitdem in nach Europa gekommen bin, mit unterschiedlichen Migrationsursachen. Meine Hauptfrage in diesem Buch ist: Wie hat sich die koloniale und postkoloniale Erfahrung auf die gegenwärtige Migration in den Westen ausgewirkt? Mein Hauptargument lautet: Postkoloniale Migration Afrika (oder auch von anderen Regionen) in den Westen findet unabhängig von Armut, Konflikten oder Klimawandel statt. In diesem Buch präsentiere ich einen neuen theoretischen Zugang zur Migrationsforschung. Zusätzlich zu den materiellen müssen auch die immateriellen Ursachen der Migration untersucht werden.
Welche Bedeutung hat die Migrationsforschung für die Soziale Arbeit?
Migration ist ein wichtiger Bereich für die Soziale Arbeit. Soziale Arbeit muss verstehen, warum Menschen migrieren, wohin, was passiert mit ihnen, wie werden ihre Rechte respektiert, wie wird mit ihnen umgegangen, etc. Deswegen ist ein richtiges Verständnis der Migration und der Lebensbedingungen der Migrant:innen für die Soziale Arbeit sowohl als wissenschaftliche Disziplin als auch Profession wichtig.
Welche Relevanz hat die Thematik für unseren Studiengang der Sozialen Arbeit? Thematisieren und diskutieren Sie dieses Thema im Zuge von Lehrveranstaltungen mit Ihren Studierenden?
Migration ist einer der Schwerpunkte der Lehre und Forschung unseres Departments. Mehrere Personen beschäftigen sich mit diesem Thema.
In Bachelorstudium Soziale Arbeit befassen sich Studierende im Zuge einer eigenen Lehrveranstaltung mit dieser Thematik. Im Masterstudium Soziale Arbeit, Sozialpolitik & -management wird sie im Rahmen der Sozialpolitik behandelt.
Migration, Integration und Inklusion sind wichtige sozialarbeiterische und sozialpolitische Inhalte. Viele Bachelor- und Master-Arbeiten werden dazu verfasst. Einige unserer Absolvent:innen arbeiten auch in diesem Feld.
Belachew Gebrewold liest in seinem Buch “Postcolonial African Migration to the West: A Mimetic Desire for Being” © MCI/Verena Schmid
Buchveröffentlichung “Postcolonial African Migration to the West: A Mimetic Desire for Being”. V.l.n.r.: Belachew Gebrewold | Buchautor und Verena Schmid | Gestaltung Buchcover © MCI/Department Soziale Arbeit
Buchveröffentlichung “Postcolonial African Migration to the West: A Mimetic Desire for Being” © palgrave macmillan
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