Magdalena Kwiecień, Isabella Kocher, Manuel Wolfsberger und Jacob Hensler, alle Studierende des 4. Semester im Bachelorstudium Business & Management am MCI, sind Mitte März als freiwillige Helfer:innen an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren, um dort bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme zu unterstützen.
Wir haben uns mit ihnen unterhalten.
Wie kam es zur Idee, hier so spontan mitzuhelfen? Was war eure Motivation?
Seit uns die erschütternde Nachricht der Kriegserklärung Russlands an die Ukraine erreicht hat, sitze ich meistens fassungslos, traurig, wütend und vor allem hilflos vor sämtlichen Medien-Outlets. Das Thema berührt mich persönlich sehr und ich habe mich seither des Öfteren gefragt, wie ich meinen Beitrag sinnvoll und vor allem aktiv leisten kann. Glücklicherweise war Magdalena unser Zünder! Ihr großartiges Engagement hat sie dazu verleitet, eine Spendenaktion am MCI zu starten, die ich selbstverständlich unterstützen wollte. Einige Tage später kamen wir gemeinsam mit Manuel und Jacob zu dem Entschluss, dass wir noch weiter gehen und aktiv unsere Hilfe anbieten wollen. Da Magdalenas polnische Familie sie täglich mit Informationen auf dem Laufenden hält, bekamen wir recht schnell eine Idee davon, was aktuell gebraucht wird und wo wir hinfahren können.
Wie seid ihr an die polnisch-ukrainische Grenze gekommen, als Privatpersonen oder über eine Organisation?
Da die Entscheidung nach Polen zu fahren sehr spontan gefallen ist, haben wir die Reise als Privatpersonen in kürzester Zeit organisiert. Ich habe das Glück neben dem Studium bei einer Firma für Fahrzeugverleih zu arbeiten, welche uns sehr flexibel und spontan ein Auto zur Verfügung stellen konnte. Somit sind wir die ca. 12-stündige Autofahrt angetreten und in der Nacht in Polen angekommen. Weiter ging es später an die polnisch-ukrainische Grenze, wo wir von Organisation zu Organisation gingen, um unsere Unterstützung anzubieten. Schnell haben wir inmitten von Menschen mit den unterschiedlichsten Nationalitäten Anschluss gefunden, um mitanzupacken, wo wir konnten. Es war besonders inspirierend zu sehen, wie lange und zehrend die Reisen sein mussten, die Menschen auf sich nahmen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen: gemeinsam an einer Front zu stehen und denen die Hand zu reichen, die es momentan am nötigsten haben.
Habt ihr Erfahrungen in der Flüchtlingsbetreuung?
Ich persönlich hatte davor noch keinerlei Erfahrungen in der Flüchtlingsbetreuung, was dieses Vorhaben einerseits als aufregend aber andererseits auch als ungewiss und mulmig gestaltete.
Was habt ihr aus eurem Einsatz an der polnisch-ukrainische Grenze mitgenommen?
In erster Linie wurde mir schmerzlich bewusst, wie greifbar dieser Krieg auf einmal erscheint. Als ich die verschiedensten Menschen von jung bis alt die Grenze überqueren sah, wurde mir nochmal deutlicher, wie ähnlich wir uns doch alle sind. Das ukrainische Volk lebt (oder lebte) in vergleichbaren Verhältnissen beziehungsweise Wohlstand wie wir. Ein Beruf, ein zu Hause, das Sicherheit spendet, ein schönes Auto – ein Leben, das in Frieden mit seinen Liebsten verbracht werden möchte. Die aktuelle Flüchtlingswelle besteht aus Menschen, die keinen Einfluss auf die absurdesten Entscheidungen dieses Kriegs haben. Menschen, die gezwungen sind, ihr hart erarbeitetes Leben auf einen Schlag zu verlassen. Menschen, die ihr Hab und Gut in Trümmern sehen müssen und in den schlimmsten Fällen Menschen, die ihre Liebsten nie wieder in die Arme schließen dürfen.
Der einzige, momentane Unterschied zwischen dem 10-jährigen Mädchen aus Charkiw und mir ist Glück. Glück, in einem aktuell sicheren Land zu leben. Doch wahrscheinlich hat dieses Mädchen vor einiger Zeit noch ähnlich gedacht und schlagartig hat sich alles verändert.
Was waren die bewegendsten Momente?
Ein bewegender Moment war für mich, als eine ukrainische Dame, welche kaum Englisch konnte, auf uns zugekommen ist und uns aus tiefstem Herzen im Namen der ukrainischen Menschen für die Arbeit und Energie dankte. Sie musste sich nicht viel mit Worten ausdrücken, denn in dieser Zeit habe ich einmal mehr gelernt, dass es eine Sprache gibt, die wir alle sprechen können: Empathie, Dankbarkeit, die in den Augen abzulesen ist, Erleichterung, dass man endlich in Sicherheit angekommen ist und ein Lächeln, das temporären Trost spenden zu versucht.
Wisst ihr, wie es mit den geflüchteten Menschen weitergeht? Wo kommen diese hin?
Wir waren an dem zweit-kleinsten Grenzübergang an der polnisch-ukrainischen Grenze in einem etwas kleineren Ort namens Zosin. Dies ist der erste Stopp, den flüchtende Menschen erreichen, wenn sie hier die Grenze überqueren müssen. Einerseits konnten Flüchtlinge zu uns in die Zelte kommen, um sich aufzuwärmen, um etwas zu essen und zu trinken und andererseits, um auf ihren Weitertransport zu warten. Diesen übernahm unter anderem die dortige freiwillige Feuerwehr, sofern niemand anderes (Angehörige, Bekannte, Freunde, …) sie vom Grenzpunkt abholte. In dem Fall, dass flüchtende Menschen noch keinen eigenen Transport organisieren konnten, wurden sie in die nächste, größere Stadt namens Hrubieszow gebracht. Dort stellt die Stadt zurzeit eine größere Sporthalle zur Verfügung, die als Dreh- und Angelpunkt für die Organisation von Transporten zu den unterschiedlichsten Destinationen fungiert. Große Busse fahren zum Beispiel nach Warschau aber auch nach Deutschland oder Italien. Natürlich gibt es auch in Hrubieszow die Chance sich aufzuwärmen, die Nacht dort zu verbringen, etwas zu essen und natürlich unzählige Freiwillige, die das alles ermöglichen.
Habt ihr gute Tipps für Menschen, die so wie ihr, in dieser herausfordernden Krise mithelfen wollen? Was ist denn im Moment das wichtigste?
Einerseits ist es wichtig, sich vorab gut zu informieren, was Menschen in dieser Zeit am notwendigsten brauchen. Es macht keinen Sinn den Dachboden willkürlich auszumisten, weil man selbst „das ja eh nicht mehr braucht“. Es muss ein allgemeines Verständnis existieren, dass dies eine Flüchtlingswelle ist, die aus „normal“ wohlhabenden Menschen besteht. Menschen, denen von einem auf den anderen Tag das zu Hause, die Routine, gar das komplette Leben gestohlen wurde.
Sollte man sich dazu entscheiden auch aktiv in Grenzgebieten Freiwilligenarbeit zu leisten, macht es Sinn sich einer dort agierenden Organisation anzuschließen, die zumindest englisch-sprechende Freiwillige hat. In unserem Fall sprachen nur wenige Ukrainer/innen englisch, und um sicherzugehen, wo man gebraucht wird und was die Aufgaben sind, ist eine übersetzende Partei essenziell.
Weiters ist es wichtig in solch einer Situation den Menschen nicht mit Mitleid und einem traurigen Gesicht gegenüberzutreten. Diese Flüchtlingswelle braucht Hoffnung und einen freundlichen und koordinierten Hafen, auf den sie jetzt zusteuern können.
Abschließend waren wir vier äußerst dankbar, uns gegenseitig zu haben. Miteinander über die Geschehnisse zu sprechen und sich nach der Arbeit mit komplett anderen Themen abzulenken und zu lachen, ist kein Verbrechen in einer solchen Lage. Es ist essenziell, um die Kraft für den nächsten Tag wiederzufinden.
Liebe Magdalena, liebe Isabella, lieber Manuel und lieber Jacob, danke für das Gespräch und wir sind wirklich sehr beeindruckt und sehr stolz, dass ihr Teil unseres Departments seid!
Studierende des MCI Bachelorstudiums Business & Management als freiwillige Helfer/innen im Einsatz ©Magdalena Kwiecień
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