Ohne eine vierte Reinigungsstufe passieren Mikroschadstoffe wie Medikamentenreste Kläranlagen zu einem großen Teil ungestört. Beispiel Diclofenac: Der häufig in schmerzstillenden Salben und Tabletten eingesetzte Wirkstoff wird nur zu einem Bruchteil tatsächlich vom Körper verwertet. Bis zu 70 % finden über die Toilette ihren Weg ins Abwasser. Herkömmliche Kläranlagen mit den drei klassischen Reinigungsstufen mechanisch-biologisch-chemisch können die winzigen Spurenstoffe nicht aus dem Verkehr ziehen und sie gelangen wie viele andere Medikamentenreste, Hormone und chemische Verbindungen in die Natur. In Bächen, Flüssen und Seen reichern sie sich an und führen zu Krankheiten und Unfruchtbarkeit bei vielen Wasserorganismen. Umweltchemikalien können hormonähnliche Wirkungen entfalten und männliche Fische verweiblichen. Martin Spruck, Leiter des Forschungsschwerpunkts Energy & Process Technologies, bringt die Problematik auf den Punkt: In den Fließgewässern Österreichs ist ein regelrechter Medikamentencocktail enthalten. Das bestätigt auch eine entsprechende Gewässerstudie des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus.
Wie weitreichend die Problematik ist, wurde erst durch genauere Analysemethoden deutlich. Die niedrigen Konzentrationen sind schwer nachweisbar, können aber bereits ihre schädliche Wirkung entfalten. Hinzu kommt, dass der Arzneimittelverbrauch laufend steigt. Laut Marc Koch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Studiengang Umwelt-, Verfahrens- und Energietechnik am MCI, sei auch nicht immer klar, ab welcher Konzentration die Stoffe schädlich seien und wie gründlich man sie entfernen müsse. Die aktuell funktionierenden Methoden der vierten Reinigungsstufe sind aus unterschiedlichen Gründen flächendeckend schwierig einsetzbar. Systeme nach Vorbild von Meerwasserentsalzungsanlagen brauchen viel Fläche und Energie, die vierte Reinigungsstufe wie sie in Modellregionen in der Schweiz eingesetzt wird ist teuer. Die Behandlung mit Ozon funktioniert aus technischer Sicht, bedeutet aber höhere Sicherheitsanforderungen und unbekannte, zum Teil ebenfalls schädliche Abbauprodukte. Martin Spruck, Marc Koch und ihr Team forschen an einem optimierten Hybridansatz: Membranfilter mit eingebetteter Aktivkohle.
Basierend auf den Ergebnissen eines früheren Projektes entwickelte das Team Membranen aus einem gesundheitlich unbedenklichen Kunststoff. Abwasser wird unter Druck durch Poren gepresst, von denen jene mit der geringsten Dimension rund 500-mal kleiner sind als ein menschliches Haar. Partikel und Schmutz werden zurückgehalten, praktisch nur die winzigen Mikroschadstoffe und Wasser dringen durch. Tiefer in der Membranstruktur eingebettet ist adsorptionsfreudige Aktivkohle, die dank ihrer besonders porösen Beschaffenheit eine enorme Oberfläche besitzt – ca. 1000 m² pro Gramm. Dank der vorgeschalteten Membranfiltration kommt die Aktivkohle nur mit den kritischen Molekülen in Kontakt und bleibt länger nutzbar. Im Labor testet und optimiert das MCI Forschungsteam die Membranen mit synthetischem Abwasser, um das Langzeitverhalten zu bestimmen.
Der nächste Schritt ist ein größer angelegter Praxistest in einer geeigneten Kläranlage. Bis Mitte des Jahres soll mit dem bereits zum Patent angemeldeten Hybridsystem ein Teilstrom des Abwassers behandelt und die enthaltenen Spurenstoffe bestmöglich entfernt werden.
Fische in natürlichem Gewässer © unsplash
Membranstruktur mit Aktivkohle; 1000fache Vergrößerung © MCI
Sauberes glitzerndes Wasser © unsplash
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