08. August 2023

Fotogrammetrie im Sport

3D-Modellierung von Geländekammern und Sportstätten bietet ungeahnte Möglichkeiten

Die Fotogrammetrie bedient sich berührungsloser Messmethoden und bestimmter Auswerteverfahren, um aus großen Mengen an Fotografien eines Objektes eine exakte dreidimensionale Rekonstruktion desselben zu erhalten. Im MCI Studiengang Medizin-, Gesundheits- und Sporttechnologie ist die Fotogrammetrie ein Teil der Sporttechnologie und beschäftigt sich vorwiegend mit der 3D-Modellierung von Geländekammern und Sportstätten. Die 3D Modellierung der Erdoberfläche ist kein neues Thema: Google Earth hat die Thematik im globalen Rahmen bereits in den frühen 2000er Jahren aufgegriffen. Doch seither hat sich in der Qualität von Kamerasensoren, der Evolution von handlichen Drohnen als auch in der Rechenleistung bei der Bildverarbeitung am Computer einiges getan.

Anfang 2022 hat der Forschungsschwerpunkt Health Tech am MCI mit einer neuen Projektidee namens „VRodel“ nach Möglichkeiten gesucht, eine möglichst reelle virtuelle Rodelbahn in eine Anwendung zu integrieren. Das vom Land Tirol geförderte Entwicklungsprojekt wird in Kooperation mit der Rodel Austria sowie den beiden Unternehmen mfku und maab durchgeführt und soll einen virtuellen Rodelsimulator für Schulungszwecke generieren. Damit die Erfahrungen des virtuellen Rodlers so real wie möglich sind, ist ein realitätsgetreues Umgebungsmodell absolut ausschlaggebend. Mit drohnengestützter Fotogrammetrie konnte dieses Modell erzeugt werden.

Mithilfe von zwei Drohnen sowie vier bodengestützten Kameras sind etwa 5.000 Bilder der Rodelbahn im Kühtai aus verschiedenen Perspektiven entstanden, welche später mittels Bildverarbeitungssoftware zu einem 3D Modell verarbeitet wurden. Man muss schon sehr genau hinsehen, um zu erkennen, dass es sich in Bild 1 links um ein Drohnenfoto und rechts um das erzeugte Fotogrammetrie-Modell handelt. Geländemodelle wie dieses werden entsprechend weiterverarbeitet und bereinigt, um später in das nachmodellierte Fernfeld des Kühtais eingebettet zu werden. Zusätzlich wird mittels dem Game Engine Unity die gesamte Steuerung des virtuellen Rodlers mit den Controllern der VR-Brille programmiert.

Ein anderes Vorhaben hat sich bereits mit ähnlicher Thematik beschäftigt. Im Rahmen einer Masterarbeit wurde der Eiskanal in Igls mittels Fotogrammetrie modelliert und in die Umgebung des Inntals eingebettet. Die im Sommer aufgenommene Bahn wurde mittels Texturen in ein winterliches Szenario verwandelt und die Strecke kann mit einem Spieler befahren werden (siehe Bild 2).

3D-Modelle finden nicht nur in der Virtuellen Realität ihren Platz: Globale Geländemodelle wie sie in „Google Earth“ oder Applikationen wie „Fatmap“ verwendet werden sind für viele Bergsportler vor allem im Skitourenbereich mittlerweile Standard bei der Routenplanung. Diese Modelle sind besonders für die Planung von Skitouren in weitläufigem Gelände geeignet. Für die Planung der Befahrung von engen Geländekammern und Rinnen stoßen die globalen Geländemodelle an ihre Grenzen. Folgende Auszüge von Geländekammern aus den Kalkkögeln zeigen im Vergleich jeweils die globalen Geländemodelle aus Fatmap links zu den mittels Drohnenflug und Fotogrammetrie erstellten 3D-Modelle auf der rechten Seite. Die Mächtigkeit der Modelle wird aber vor allem dann sichtbar, wenn man sich einige Stellen im Detail ansieht (Bilder 3 bis 5)

Die Fotogrammetrie Modelle bieten dort Strukturen und deutliche Geometrien, wo die Informationen aus Sattelitenbildern und großflächigen Geländevermessungen an ihre Grenzen stoßen. Diese Geländeinformationen bieten beispielsweise die Möglichkeit für einen Skifahrer neue fahrbare Linien in einem Hang zu finden und diese auch deutlich besser bezüglich Gefahren wie Lawinen, Geländefallen und Steinschlag einzuschätzen. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Modell in die relevanten Perspektiven für den Abfahrer gedreht werden kann. So kann man sich deutlich besser in die spätere Sichtposition des Skifahrers (skiers view) hineinversetzen und so die geplante Linie anhand von markanten Punkten aus der richtigen Sichtperspektive deutlich einfacher einhalten. Bei klassischen Fotos von Skihängen aus gegenüberliegenden Seiten (lookers view) stellt die Einhaltung einer geplanten Linie eine extreme Herausforderung dar (siehe Bild 6: Gleiche Geländekammer aus verschiedenen Perspektiven).

Weitere Eindrücke zur Befahrung des Ampfersteins sowie des 3D Modells sind in diesem Video zu sehen:

Wann sehen wir also Google Earth und andere 3D Karten in der Qualität der gezeigten Fotogrammetrie Modelle? Leider wird der private Freerider noch etwas darauf warten müssen, da die Bilddatengenerierung zu aufwändig und die erzeugten 3D-Modelle zu mächtig sind, um großflächig auf Smartphones einsehbar zu sein. Außerdem erzeugt die extreme Auflösung der Modelle das Problem, dass ein Berg nach einigen Schneefällen schnell anders aussehen kann und das Modell hinsichtlich kritischen Engstellen im Gelände an Verlässlichkeit verliert. Hinsichtlich Freeride Events oder in freerideorientierten Skigebiete könnte es aber schon bald erste Anlaufversuche geben, dem Skifahrer solche Modelle zur Planung von Touren vorzulegen.

Wo findet die Fotogrammetrie weitere Anwendungsmöglichkeiten? Sofern von einem Objekt oder einer Geländekammer aus verschiedenen Perspektiven Fotos generiert werden können, ist es möglich mittels Fotogrammmetrie dieses exakt zu modellieren. Ob die Fotos per Spiegelreflexkamera, Drohne oder Mikroskop gemacht werden und ob es sich um Arbeitsplätze, Berge oder Operationswunden handelt, spielt dabei keine übergeordnete Rolle. Fest steht, dass die fertigen Modelle für deutlich mehr als nur Visualisierungen verwendet werden können. Die Modelle können für Simulatoren und Game Anwendungen, optische Messverfahren, als visueller Input bei Broadcasting von Sportevents oder für Oberflächenberechnungen und Lawinensimulationen Anwendungen finden und bieten daher spannende Aufgabenstellungen nicht nur im Skisport.

Dieses Projekt wird vom Land Tirol im Rahmen der Tiroler Kooperationsförderung gefördert.

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MCI Projektmitarbeiter David Mikulic und Jonas Kreiner bei der Drohnenbefliegung im Kühtai © MCI