02. Juli 2021

Bargeld vs. Karte

Psychologische Mechanismen die unsere Zahlungsmittel-Entscheidung beeinflussen

Es gibt einige offensichtliche Faktoren, die die Entscheidung mit Karte oder mit Bargeld zu bezahlen beeinflussen. Unbewusste psychologische Faktoren, auch wenn sie nicht bewusst in Betracht gezogen werden, beeinflussen unser Verhalten und somit diese Entscheidung ebenfalls. In einem Forschungsprojekt hat Yevgen Bogodistov, Lehrender am Department Betriebswirtschaft Online, versucht Antworten auf die Fragen zu finden, die mit den psychologischen Mechanismen für die Wahl eines Zahlungsmittels zusammenhängen.

Das Ziel dieser Studie war es, die psychologische Distanz im Zusammenhang mit verschiedenen Zahlungsmitteln zu verstehen. Das Konzept der psychologischen Distanz beschreibt die Art und Weise, wie wir verschiedene Objekte oder Situationen wahrnehmen. In der Tat wird dasselbe Ereignis je nach Umständen unterschiedlich wahrgenommen. Denken Sie hierfür an eine Prüfung. Vergleichen Sie selbst, wie Sie sich in den folgenden Situationen fühlen: "Sie müssen heute Abend an der Statistikprüfung teilnehmen" vs. "Sie müssen im nächsten Semester an der Statistikprüfung teilnehmen". Wie Sie merken, denken Sie über dasselbe Ereignis auf unterschiedliche Weise nach: Sie denken sehr konkret und detailliert über die Prüfung heute Abend nach, während Sie abstrakt und vage denken, wenn es um dasselbe Ereignis in der Zukunft geht. Während Sie detailliert nachdenken, fragen Sie sich: "Wie genau kann ich mich vorbereiten? Wo ist die Prüfung? Was sollte ich mitnehmen?" Wenn Sie hingegen abstrakt denken, stellen Sie sich Fragen wie "Warum sollte ich darüber nachdenken? Warum ist es wichtig? Soll ich mit der Vorbereitung beginnen oder noch eine Woche warten?" Diese Gedankenströme führen zu unterschiedlichen Handlungen und sogar zu einer unmittelbaren körperlichen Reaktion (z. B. Stress, Angst oder Nervosität).

In diesen Situationen, so argumentieren Wissenschaftler, ändert eine Person die Art der Informationsverarbeitung. Je geringer die psychologische Distanz ist, desto mehr neigen Personen zur konkreten Informationsverarbeitung; je höher die psychologische Distanz ist, desto eher verarbeiten Personen Informationen auf einer abstrakten Ebene.

In seiner ersten Untersuchung erforschte Yevgen Bogodistov die implizite Assoziation, die Menschen in Bezug auf Zahlungen haben (insgesamt 40 Teilnehmer). Er fand heraus, dass Bargeld mit geringer psychologischer Distanz assoziiert wird, während eine Kartenzahlung mit hoher psychologischer Distanz assoziiert wird. Dieser Test hatte eine wichtige Implikation. Denken Sie kurz zurück an das Beispiel mit der Prüfung. Diejenigen, die das Bargeld gesehen haben, haben angefangen, konkreter zu denken, so wie Sie es bei der Prüfung getan haben, die heute Abend stattfinden würde. Im Gegensatz dazu begannen diejenigen, die EC-Karten sahen, wie Sie über die Prüfung im nächsten Semester nachzudenken. Es stellte sich nun die Frage, ob die Teilnehmer wirklich angefangen haben anders zu denken. Um diese Frage zu beantworten, wurde ein zusätzliches Experiment entwickelt.

Basierend auf den Ideen von Liberman et al. (2007) wurde ein Bild eines Produktes gezeigt, das mit Bargeld oder einer Kreditkarte abgebildet wurde. Die Teilnehmer wurden gebeten eine Frage zu formulieren, die mit "...dieses Produkt kaufen?" endet. Es wurde davon ausgegangen, dass die Teilnehmer, die sich im Modus des abstrakten Denkens befinden, "Warum"-Fragen formulieren werden, wie z. B. "Warum muss ich dieses Produkt kaufen?". Im Gegensatz dazu wurde angenommen, dass Teilnehmer, die sich im konkreten Denkmodus befinden, "Wie"-Fragen stellen, wie z. B. "Wie kann ich dieses Produkt kaufen?". Die Ergebnisse waren signifikant: Teilnehmer, die das Produktbild mit einer Kreditkartenmanipulation sahen, neigten dazu, eher allgemeine Fragen zu stellen (Warum-Fragen).

Diese beiden Studien kann man mit zwei Implikationen zusammenfassen: Erstens, jedes Mal, wenn jemandem ein bestimmtes Zahlungsmittel vorgeschlagen wird (z. B. ein Produkt mit Karte zu bezahlen), könnte er/sie seine/ihre Denkweise ändern und beginnen, dieses Produkt auf einer abstrakteren Ebene wahrzunehmen. Zweitens könnte es passendere und unpassendere Zahlungsprozesse geben. Denken Sie an das neu angekündigte iPhone, das Sie vorbestellen können. Da Sie dieses Produkt noch nie in den Händen hatten und kaum die technischen Details kennen, aber das Design lieben (hohe psychologische Distanz, abstraktes Denken), wäre ein Angebot, die Vorbestellung per Karte zu bezahlen, eine passende Bedingung. Was ist, wenn Sie aufgefordert werden, in bar zu bezahlen? Werden Sie das iPhone dann anders wahrnehmen? Werden Sie anfangen, über die technischen Aspekte des iPhones nachzudenken? Oder werden Sie sich weigern zu zahlen, weil Sie sich unwohl fühlen?

Diese Fragen könnten große Implikationen auf Unternehmen haben, die im Bereich Marketing, Verbraucherverhalten und Design von Zahlungsprozessen arbeiten.

 

Referenz: Liberman, N., Trope, Y., & Stephan, E. (2007). Psychological distance. In A. W. Kruglanski & E. T. Higgins (Eds.), Social psychology: Handbook of basic principles (Vol. 2, pp. 353–383).